Hekuba Tiago Rodrigues ist eine fesselnde Inszenierung, in der sich Euripides authentische Tragödie mit der Geschichte des persönlichen und institutionalisierten Verrats aus der Gegenwart überschneidet. Der Regisseur und Direktor eines der prestigevollsten Theaterfestivals der Welt verbindet somit mit der ersten Bühne Frankreichs ein Werk das geradezu organisch die ewigen Probleme der antiken trojanischen Frau mit den Herausforderungen der heutigen Frau, Schauspielerin und Mutter verknüpft, die ähnliche Qual durchlebt wie die häufig übersehene Witwe des trojanischen Helden Priamos. Tiago Rodrigues schuf ein scharfsinniges „Theater im Theater“ auf. Die Geschichte konzentriert sich auf Nádia, eine Schauspielerin, die Hekuba verkörpert. Im persönlichen Leben muss sie sich zeitgleich mit der Erkenntnis auseinandersetzen, dass ihr Sohn in einer staatlichen Einrichtung, wo sie ihn unterbringen musste, weil er an Autismus leidet und ständige Pflege benötigt, misshandelt wurde. Ihre schwere Entscheidung, die für beide eine Erlösung und sein Ausweg aus dieser Pattsituation sein sollte, wird allmählich zum Horror. Der Inhalt spielt sich innerhalb eines Tages ab, am Tag der Generalprobe und Nádias Aussage vor Gericht, wobei wir Zeugen dessen sind wie sich die Vergangenheit mit der Gegenwart überschneiden. Den öffentlichen Skandal und den Gerichtsstreit versuchen dabei die Kompetenten – die verantwortlichen politischen Vertreter unter den Teppich zu kehren. Nádia probt die Tragödie nicht nur, sondern sie erlebt sie am eigenen Leib. Einerseits ist sie Mutter, die für Gerechtigkeit für ihr Kind kämpft, andererseits verkörpert sie eine Mutter, die den Tod ihres Sohnes rächen will. Es handelt sich somit um ein Meta-Theatererlebnis, in dem sich zeitgleich das Leben und die Kunst widerspiegeln und die Grenzen zwischen dem Gerichtssaal und der Bühne schwinden. Die Schauspieler und Schauspielerinnen balancieren an der Grenze zwischen der antiken Tragödie und einem zeitgenössischen Gerichtsdrama, dank dem diese Dualität stärker hervortritt. Die Inszenierung ist von wahren Begebenheiten inspiriert worden, insbesondere vom Skandal in der Schweizer Einrichtung Mancy. Die Inszenierung scheut jedoch den dokumentarischen Realismus. Die Authentizität schöpft sie aus Erfahrung der Co-Autorin Natacha Koutchoumov, einer Schauspielerin und ehemaligen Direktorin des Schweizer Theaters Comédie de Genève, die in ihrem Leben eine ähnliche Tragödie durchlebt hat. Sie will zum Nachdenken provozieren und Empathie hervorrufen indem sie poetische Gerechtigkeit bietet, die den Horizont der Fiktion übersteigt. Es ist eine Meditation über die Transformationskraft des Theaters, dank der die antike Sehnsucht nach Rache zum zeitgenössischen Ruf nach Gerechtigkeit wird. Nádia bemüht sich, im Gegensatz zu Hekuba, um Gerechtigkeit gemäßigt durch Menschlichkeit und sie warnt davor, sich vom zerfressenden Schmerz zerstören zu lassen. Hekuba ist eine Inszenierung, die jenen Menschen eine Stimme verleiht, die keine haben.
Produktion Comédie-Française in Zusammenarbeit mit dem Festival in Avignon
Bühnenbild und Kostüme hergestellt von den Werkstätten der Comédie-Française in Zusammenarbeit mit dem Théâtre de la Cite - CDN de Toulouse Occitanie.
Die Inszenierung wird am 30. Juni 2024 beim Festival in Avignon Premiere haben.
Die Vorstellung wird mit slowakischen und englischen Übertiteln aufgeführt.
Die Inszenierung Hekuba ist nicht Hekuba wird auch Dank der Beiträge der Mitglieder des Klubs der Freunde und Mäzene des SND aufgeführt.